Hundeverhalten verstehen (wollen)

Warum Verhalten gezeigt wird, entscheidet über deinen Trainingserfolg

Ich hasse sie, die Postings in diversen Gruppen wo jeder eine Meinung zu einem Hundethema abgibt. Wirklich jeder. Meist basieren diese Meinungen auf eigener Erfahrung, Hören-Sagen, keiner oder veralteter Ausbildung. Es wird aber leider nie hinterfragt, ob diese Meinung oder Sichtweise noch zeitgemäß ist.

Vor 30 Jahren gab’s kein Internet, kein Facebook und kein Smartphone. Doch wir haben uns alle angepasst und nutzen die neuen Möglichkeiten je nach eigenem Geschmack. Niemand käme mehr auf die Idee, stattdessen Schreibmaschine, Faxgerät und Durchschlagpapier zu verwenden. Wir wissen, dass sich die Erde weiterdreht und wir heute viele Möglichkeiten haben, uns den Alltag leichter und angenehmer zu gestalten. Sogar meine 81-jährige Freundin Sophie nutzt täglich WhatsApp.

Vor 30 Jahren waren militärischer Gehorsam, Unterordnung und Strafe in der Hundeerziehung üblich. Warum Verhalten auftritt, wurde nicht hinterfragt. Nur unterdrückt. Doch in der Hundewissenschaft wurde viel geforscht, wir wissen heute sehr viel über neurobiologische Faktoren, Vorgängen im Hundegehirn und Motivationen für Verhalten. Der Hund ist nicht mehr Befehlsempfänger und Untergebener, sondern ein eigenständiges Lebewesen mit Emotionen, Gefühlen und individuellen Verhaltensweisen … und im Falle von Second Hand Hunden kein unbeschriebenes Blatt, sondern ein Lebewesen mit unbekannten Erfahrungen, die sein Verhalten geprägt haben.

Doch nach wie vor lese und höre ich täglich von Dominanzproblemen, Rudelführer, Alphawolf, Verhalten unterdrücken, den Hund seinen Ängsten aussetzen, da muss der durch, das hat der nicht zu tun, das darf er nicht, du musst der Chef sein, der tanzt dir auf der Nase rum, der muss sich sein Futter verdienen, der hat nicht an der Leine zu pöbeln und und und …

  • Da lese ich von 2 Hunden, die seit Jahren problemlos zusammenleben und nach dem Tod einer Bezugsperson plötzlich beginnen, sich zu bespringen und zu rangeln. Und schon werden die Meinungen laut, dass es sich ganz klar um ein Dominanzproblem handelt und das Verhalten dringend unterbunden werden muss. #wtf
  • Da lese ich von einem Hund, der panische Angst vor Müllautos hat. Der Trainingstipp von vielen mit Meinung aber wenig Wissen oder Pseudo-Trainern – so oft wie möglich den Hund vor’s Müllauto schleifen, dann wird er schon merken, dass ihm nix passiert. #wtf
  • Da höre ich von einem Hund, der nach dem Tod seiner Bezugsperson und Umzug in ein neues Zuhause nun Geräuschängste entwickelt hat. Die Lösung eines aversiv arbeitenden Trainers: Auf den Schießplatz gehen, damit die Geräuschangst geheilt wird. #wtf

Ich frage mich ganz ehrlich, wo der gesunde Menschenverstand geblieben ist bzw. die Empathie für unseren Partner Hund? Man benötigt keine Ausbildung in Hundeverhalten, lediglich Einfühlungsvermögen und Vorstellungskraft, um zu erahnen, dass obige Tipps für die jeweiligen Hunde wahrscheinlich sehr unangenehm sind, um nicht zu sagen, manche sogar in den psychischen Ausnahmezustand bringen.

Alle diese Hunde haben aus unterschiedlichen Gründen ein Problem entwickelt und das nun unerwünschte Verhalten ist die jeweilige Strategie, mit dem Problem umzugehen und uns aufmerksam zu machen, dass hier etwas nicht stimmt. Das ist weder damit gelöst, dass wir dieses Verhalten unterdrücken, ignorieren oder den Hund bis zur Aussichtslosigkeit mit Auslösern konfrontieren.

Warum schafft es die Spezies Mensch nicht, den Umgang mit dem Lebewesen Hund zu hinterfragen und auf den neuesten Stand zu bringen? Mir persönlich wurde auch nicht die moderne Hundewissenschaft in die Wiege gelegt, aber ich habe mich weiterentwickelt, weitergebildet und meinen Umgang mit Hunden und Lebewesen allgemein hinterfragt und angepasst. Und zwar für den Hund positiv angepasst.

Verhalten hat immer einen Grund

Die Frage nach dem „Warum?“ ist essentiell

In der Verhaltensberatung geht es immer darum, Gründe bzw. Ursachen für unerwünschte Verhaltensweisen zu finden. Warum? Nur wenn wir an der Ursache arbeiten, wird sich langfristig und vor allem nachhaltig eine Verhaltensänderung einstellen. Alles andere ist reine Symptombekämpfung und löst nur das Problem der Bezugsperson, indem das Verhalten nicht mehr auftritt bzw. zu sehen ist.

Das Problem deines Hundes ist nach wie vor vorhanden, er darf jedoch nicht mehr zeigen, dass er ein Problem hat und muss das (unerwünschte) Verhalten daher unterdrücken. Aber sein Problem ist nach wie vor da. Es brodelt innerlich. Und wird sich früher oder später in einem anderen unerwünschten Verhalten äußern oder er wird aufgeben, weil es aussichtslos geworden ist. Beides sehr unangenehm für den Hund.

Die Dominanztheorie ist übrigens der größte Mist, der nach wie vor fleißig verbreitet und geteilt wird. Auf sie gehen alle Aussagen in Richtung Rudelführer, Alpha, Chefrolle etc. zurück und bilden den Freifahrtschein für strafbasierten und teils gewaltsamen Umgang mit Hund. Übrigens tierschutzrechtlich verboten, ebenso wie Flooding (=den Hund solange mit seinen Ängsten konfrontieren, bis er innerlich aufgibt). Doch wie so oft in Österreich ist auch das Tierschutzgesetz nur ein beschriebenes Blatt Papier und der Hund eine Sache.

Lies hierzu gerne meine Blogartikel: Von Rudelführern und Alphawölfen

Es liegt an dir, wie du mit deinem Hund umgehen möchtest. Du musst dafür keine Ausbildung machen, aber es war noch nie so einfach wie heute, sich einen Überblick über moderne Hundeerziehung und gewaltfreie Trainingsmethoden zu verschaffen. Glaube nicht alles, was du hörst, auch wenn es ein Trainer sagt. Wenn ein Trainingstipp nur darauf abzielt, Verhalten zu unterdrücken und somit unsichtbar zu machen, kannst du davon ausgehen, dass es sich hier um veraltete Methoden handelt, die garantiert nicht hundefreundlich sind.

Sobald die Menschheit endlich versteht, dass ein Hund kein Kommandoempfänger ist und sich dem Menschen zu fügen hat, sondern ein Lebewesen mit Gefühlen, Ängsten und Bedürfnissen ist, wird es auch weniger Probleme geben. Versprochen!

Daniela Loibl MBA MSc

Daniela Loibl MBA MSc

  • staatlich geprüfte tierschutzqualifizierte Hundetrainerin
  • Hundeverhaltensberaterin iA
  • verhaltensmedizinische Tierpsychologin iA
  • zertifizierte Hunde-Ernährungsberaterin
  • ehrenamtliche Hundetrainerin im Tierheim
  • Buchautorin “Fred & Otto, Wanderführer für Hunde”

Hundesprechstunde

Du fragst, ich antworte. Auf alle Fragen, die dir im Zusammenleben, Umgang und Training mit deinem Hund unter den Nägeln brennen. Einfach und umkompliziert über Zoom.

Hundeverhalten verstehen lernen

Unerwünschtes Verhalten resultiert aus unerfüllten Bedürfnissen. Welche das in eurem Fall sind, werden wir gemeinsam herausfinden. Am Ende wirst du deinen Hund und sein Verhalten besser verstehen.

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